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Short Track Matchplay

Auf 'nen Kurzen!

Von Jan Langenbein, Fotos: Henriette Schilling

Kein Witz: Beim bestbesetzten Profigolfturnier 2020 in Deutschland strich der Sieger "nur" 6.000 Euro Preisgeld ein und gespielt wurde auf einem 2.116 Meter kurzen Neunlochplatz mit Mattenabschlägen. Ein Spaß sondergleichen!

Wäre 2020 ein ganz normales Jahr mit einer ganz normalen Golfsaison, wären Paul Casey und Andrea Pavan als Titelverteidiger der höchstdotierten Profigolftitel, die es hierzulande zu gewinnen gibt, nach Deutschland zurückgekehrt. Da in diesem Jahr aber weder die BMW International Open in München noch die Porsche European Open bei Hamburg Jahr stattfinden, fiel die Ehre des höchstrangigen Titelverteidigers 2020 Robin Smiciklas in den Schoß. WTF! Robin wer?

Als Teaching-Pro auf der Open.9-Anlage in Eichenried nutzte Robin 2018 seinen Heimvorteil beim Short Track Matchplay und beendete die vorangegangene Siegesserie von Florian Fritsch bei diesem - etwas anderen Profi-Matchplay-Event, das Christoph Günther und Marcel Haremza gemeinsam seit 2012 auf die Beine stellen.

"Wow, das dürfte schwierig werden!", lautet Robins realistische Einschätzung, als sein Blick am frühen Samstagmorgen zum ersten Mal über das in Handarbeit gezimmerte Leaderboard auf der Clubhausterrasse schweift. Aufgeteilt in acht Gruppen zu je vier Spielern finden sich Namen wie Marcel Siem, Markus Brier, Bernd Ritthammer, Nicolai von Dellingshausen, Marcel Schneider und Sebastian Heisele. Mit anderen Worten: Außer Martin Kaymer und Max Kieffer ist aus dem deutschen Profilager alles da, was Rang und Namen hat und noch nicht auf der Champions Tour angekommen ist.

Short Track Matchplay: Irgendwie suboptimal: Nordic Walking mit nur einem StockShort Track Matchplay: Irgendwie suboptimal: Nordic Walking mit nur einem Stock
Irgendwie suboptimal: Nordic Walking mit nur einem Stock

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Sonntagnachmittags-Schläfchen auf der Couch, während Golf im TV läuft? Bei einer Short-Track-Matchplay-Übertragung wäre das kaum vorstellbar.
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Nicolai von Dellingshausen führte bei der Austrian Open zwei Wochen zuvor bis kurz vor Schluss. Marcel Schneider wurde vor den Toren Wiens am Ende starker Zweiter. Es ist daher keine Übertreibung zu behaupten, dass beide in Topform anreisen. Sebastian Heisele hätte zeitgleich auch die Startberechtigung beim British Masters in der Tasche, bei dem es neben Weltranglistenpunkten schlappe 1,2 Millionen Euro mehr Preisgeld als hier in München abzuräumen gäbe. "Hier eine Gaudi zu haben und zu Hause spielen zu können ist doch weitaus attraktiver, als sich bei der Einreise nach England erst einmal ins Gefängnis setzen zu müssen", erklärt der Münchner trocken und bringt die bescheidene Situation, in der sich Profigolfer aller Klassen derzeit befinden, auf den Punkt.

So versammelt das Coronavirus ein Starterfeld auf der Neunlochanlage vor den Toren Münchens, von dem die Veranstalter vor einem halben Jahr nicht mal zu träumen gewagt hätten, denn mehr als die Hälfte des Starterfelds kann Horrorgeschichten von abgesagten Turnieren, gecancelten Flügen und jeder Menge unerwünschter Freizeit erzählen. Für die Organisatoren Christoph und Marcel eine schizophrene Situation. Mussten sie in den vergangenen Jahren um ein wenig Berichterstattung in den Medien förmlich betteln, müssen nun trotz des besten Starterfelds der Turniergeschichte Interviewanfragen sogar abgelehnt werden. "Der ,Münchner Merkur' hätte in sämtlichen Regionalausgaben eine Preview zum Event gedruckt und uns damit wahrscheinlich 1.500 Zuschauer auf die Anlage gebracht", erzählt Christoph mit einer nicht zu überhörenden Portion Galgenhumor in der Stimme. "Und nun müssen wir sagen: 'Bitte berichtet nicht, denn wir dürfen keine vierstellige Anzahl von Zuschauern aufnehmen!' Bitter..."

SPIELE LIEBER UNGEWÖHNLICH



Geboren wurde die Idee zum Short-Track-Matchplay-Format 2011. Marcel Haremza und Kollege Fabian Becker reisten gemeinsam zur Q-School nach Fleesensee und wollten am Anreiseabend noch eine schnelle Proberunde einschieben. "Aus Spaß meinte ich: ,Lass uns Matchplay spielen, damit wir das Ganze etwas ernster nehmen! Aber jeder kann maximal 2auf gehen, damit das Match mindestens acht Löcher lang dauert'", erinnert sich Marcel an den spontanen Geistesblitz. Bereits bei dieser Premierenrunde der neuen Spielform zeigt sich deren Potenzial. Es stellt sich schnell heraus, dass Golfer, die 2down liegen und nicht noch weiter zurückfallen können, plötzlich viel aggressiver spielen, gnadenlos Fahnen angreifen und garantiert keine Putts zu kurz lassen.

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Für Nicolai von Dellingshausen ist das Ersatzprogramm im Sommer 2020 der Erstkontakt mit Short Track Matchplay. Viel Überzeugungsarbeit ist jedoch nicht nötig: "Das Format ist super. Es kann wirklich alles passieren. Da ein Vorsprung maximal 2 auf betragen kann, hilft es wenig, wenn man die ersten sechs Löcher gewinnt, die letzten drei aber verliert. Dann hat man einfach Pech gehabt." Nach zwei gewonnenen Partien hat der Düsseldorfer die Fallstricke des Formats längst am eigenen Leib erfahren, denn diese Hypothese ist alles anderes als theoretisches Szenario, wie sein Match gegen Steffen Kefer bewies.

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Bewegliches Hemmnis: wozu die Mühe?
Nachdem die beiden Kontrahenten Loch 1 mit jeweils vier Schlägen geteilt hatten, spielte von Dellingshausen auf den folgenden Bahnen Golf, als gäbe es kein Morgen. Birdies auf den Löchern 2, 3, 4, und 5 brachten seinen Gegner mächtig ins Schwitzen, mehr als 2down war dank Short-Track-Matchplay-Regeln allerdings nicht drin. Und als auf Loch 6, einem 266 Meter kurzen Par 4, der wie entfesselt spielende European-Tour-Pro seinen Ball zwar mit dem Abschlag auf das Grün feuerte, Kefer sein Holz 3 jedoch eineinhalb Meter dicht an die Fahne nagelte, gewann der Außenseiter das Loch mit einem Eagle und lag bei noch drei zu spielenden Löchern plötzlich nur noch 1down - obwohl seinem Gegner gerade fünf Birdies in Folge gelungen waren. "Er hat wirklich grandios gespielt und mich vollkommen in die Tasche gesteckt", grinste Kefer nach der Runde, "doch mein Eagle auf der 6 hat das Match völlig auf den Kopf gestellt. Hochachtung dann aber für Nicolais Abschlag auf der 7, wo er aus 148 Metern beinahe zum Ass eingelocht hätte und damit wieder 2auf ging! Das war die perfekte Antwort." Zwei Birdies und ein geteiltes Loch 8 später hatte der Favorit sein Match gegen den Teaching-Pro und GolfPunk-Schwungexperten endlich in trockenen Tüchern - mit sieben Birdies in Folge.

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