TREFFEN DER GENERATIONEN
Skurrile Szene spielen sich am Beginn des der K.o.-Runde vorbehaltenen Finalsonntags ab: Im kleinen Open.9-Pro-Shop, wo sonst Golfanfänger ihre ersten Range-Fees lösen und Wochenend-Hacker die nötige 2-Piece-Munition für schnelle neun Löcher nach Feierabend kaufen, trifft man plötzlich gestandene Tour-Pros, die nach speziell für Abschlagmatten geeigneten Plastik-Tees suchen. Diese wie neonfarbene Eistüten anmutenden Plastikkegel werden dann auf der Runde wie der eigene Augapfel gehütet und nach einem Monster-Drive auch aus tiefstem Rough vor der Teebox gerettet, denn kein Pro möchte wie am Vortag mit immer wieder umkippenden Holz-Tees auf den Abschlägen kämpfen.

Neben der Tatsache, dass in Open.9 keine Spielbahn weiter als fünf Gehminuten vom Clubhaus entfernt ist - was sich als äußerst zuschauerfreundlich erweisen würde, dürften Fans im Sommer 2020 tatsächlich auf den Platz -, wirkt sich die kompakte Bauweise dieser Anlage auch äußerst positiv auf die Spielgeschwindigkeit aus. Kaum ein Match dauert länger als 60 Minuten und so fällt es wirklich leicht, sich vorzustellen, wie actionreich und spannend eine TV-Übertragung eines solch innovativen Formats doch sein könnte. Sonntagnachmittagsschläfchen auf der Couch, während Golf im TV läuft? Bei einer Short-Track-Matchplay-Übertragung wäre das kaum vorstellbar.
Nachdem Sebastian Heisele mit dem vierfachen European-Tour-Sieger Marcel Siem den dekoriertesten Spieler des Felds packen geschickt hat, kommt es im Viertelfinale zum wohl interessantesten Match der gesamten Woche, denn dort trifft der 32 Jahre junge und 1,99 Meter große Modellathlet auf den Engländer Simon Brown, der fünf Jahre vor dem Tag, an dem sein heutiger Gegner überhaupt erst das Licht der Welt erblickte, den Beruf des Golfprofis ergriff. Nach Zigtausenden erteilten Trainerstunden im Golfclub Rhein-Sieg bei Bonn erspielte sich Brown zu seinem 50. Geburtstag die Karte für die European Senior Tour, auf der er zwischen 2013 und 2015 drei Turniere gewann. Die Bezeichnung "Legende" trifft in diesem Fall zu 100 Prozent zu und trotzdem möchte man mit dem 16 Jahre älteren und zwei Köpfe kleineren Engländer beinahe Mitleid haben. Ein Gefühl, das sich verstärkt, als Sebastian Heisele seinen Abschlag auf Bahn 1 ein gefühltes Fußballfeld weiter als sein Gegner schlägt. Doch der hat ein Ping Eye2 Wedge im Bag, das wahrscheinlich bereits im Einsatz war, ehe Sebastian Heisele überhaupt zum ersten Mal einen Golfschläger in die Hand nahm, und mit diesem Wedge ist Simon Brown ein echter Zauberkünstler. Auf einem solchen Golfplatz, auf dem Länge die zweite Geige spielt, kann auch ein Birdies kratzender und Acht-Meter-Putts versenkender Golfveteran mit austrainierten Tourspielern mithalten und Heisele benötigt die vollen neun Löcher, um diesen zähen Kontrahenten, der partout nicht klein beigeben will, in die Schranken zu weisen.



Ganz im Sinne des Formats bleibt auch das Finale bis zum letzten Loch spannend, bevor Marcel Schneider mit einem kurzen Par-Putt den auf Bahn 6 erspielten 1auf Vorsprung ins Ziel rettet. Die Tatsache, dass der Stuttgarter momentan in bestechender Form ist und grandioses Golf spielt, ist nach 72 gespielten Neunloch-Matches, zwei Assen und unzähligen Birdies allerdings nicht die wichtigste Erkenntnis dieses spektakulären Wochenendes. Dieses besteht in einer Frage: Warum, zum Teufel, kann solch ein Format nicht auch in der ersten Liga des Profigolfs für Furore sorgen?