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Interview

Auferstanden aus Ruinen

Von Jan Langenbein

2018 musste Golfplatzarchitekt Kyle Phillips mit ansehen, wie eine durch menschliches Versagen ausgelöste Flut 14 Spielbahnen im von ihm designten Verdura Resort auf Sizilien davonspülte. Konnte der Amerikaner diesen Mulligan für ein bahnbrechendes Redesign nutzen? Die Bilder sprechen für sich.

Kannst du die Emotionen beschreiben, die du empfunden hast, als du die Bilder von der Überflutung im Verdura Resort gesehen hast?
Ich war schockiert und konnte mir kaum vorstellen, was passiert war, bis ich dann die ersten Bilder sah. Als Golfplatzarchitekt ist man Erosion von der Meerseite her gewohnt. Das ist ein normaler Prozess. Doch dieses Mal kamen die zerstörerische Kraft und die Erosion aus dem Landesinneren. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Die Tatsache, dass es sich um ein von Menschen gemachtes und zu verantwortendes Desaster handelte, macht das Ganze noch viel ärgerlicher. Die lokalen Behörden beschlossen eines Nachts, den Damm oben in den Bergen zu öffnen, und diesen Wassermassen war der Deich, der den Golfplatz vom Fluss trennte, nicht gewachsen. Diese Flut hat viele Menschen flussaufwärts ebenfalls sehr hart getroffen. Wir waren die Letzten, da sich der Golfplatz direkt an der Flussmündung zum Meer befindet. Dann fing aber auch direkt schon der Denkprozess an: "Was können wir retten? Wo müssen wir anfangen, um den Platz wieder aufzubauen?"

War überhaupt irgendetwas zu retten?
Wir haben uns schnell darauf geeinigt, das Routing der Bahnen, also ihren generellen Verlauf, beizubehalten. Darüber hinaus war aufgrund der immensen Zerstörung jedoch kaum etwas zu retten. Sand war auf der gesamten Fläche verteilt und die Kraft des Wassers hatte sogar Bewässerungsrohre aus dem Boden gerissen. Am Ende haben wir zwar nicht jeden Teil des Platzes komplett neu geformt, aber es floss doch eine Menge Arbeit in jede einzelne Bahn.

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Aus der Sicht eines Golfplatzdesigners hatte, so absurd das klingen mag, die Überflutung auch positive Aspekte, hat sie doch die Küstenlinie verändert und einige neue Möglichkeiten für den Wiederaufbau des Platz eröffnet.
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Wie unterscheidet sich der Prozess beim Design und Bau eines Platzes, wenn man ihn nicht zum ersten, sondern zum zweiten Mal baut?
Aus der Sicht eines Golfplatzdesigners hatte, so absurd das klingen mag, die Überflutung auch positive Aspekte, hat sie doch die Küstenlinie verändert und einige neue Möglichkeiten für den Wiederaufbau des Platz eröffnet. Wie zum Beispiel das sogenannte Sand Capping, bei dem der Boden mit einer Mischung aus Sand und Erde bedeckt wird, bevor eingesät wird, was später die Drainage und das Wachstum auf dem Platz deutlich verbessert. Außerdem war der Strand entlang der Bahnen am Meer vor der Flut schnurgerade, nun ist der Verlauf der Küstenlinie deutlich dynamischer, was dem Design ganz neue Möglichkeiten eröffnete. Und das große Doppelgrün war etwas, was wir uns beim ersten Design noch nicht getraut haben. Dieses Mal konnten wir unsere Vision davon umsetzen und ich bin wirklich glücklich darüber.

Golf als Sport verändert sich rasant. Hatte diese Tatsache einen Einfluss aus das neue Design des East Course?
Kaum ein "normaler" Golfer kann seinen Ball so weit schlagen wie die Spieler auf der Tour und niemand schlägt so weit wie Bryson. In den vergangenen Jahren wurden die Unterschiede im Spiel zwischen den Profis und den Amateuren immer größer, und um einen Platz sowohl für sehr gute Golfer anspruchsvoll zu gestalten als auch höheren Handicaps Spaß auf der Anlage zu erlauben, kann man die Plätze nicht einfach immer länger und länger machen. Beim Design des neuen East Course im Verdura Resort haben wir deshalb besonderes Augenmerk auf das kurze Spiel rund um die Grüns und auf das Design der Grünkomplexe gelegt. Dieser Ansatz hat einen Dominoeffekt bis zu den Teeboxen zurück, denn der Platz verfügt zwar über enorm breite Fairways, die mehrere Routen auf dem Weg zum Grün erlauben, die anspruchsvollen Grüns und das elegante neue Bunker-Design erfordern jedoch, den Drive auf bestimmte Stellen der riesigen Fairways zu schlagen, um machbare Pitches zur Fahne zu haben. Interessanterweise bewegen wir uns seit einigen Jahren im Golfplatzbau "zurück in die Zukunft" und besinnen uns wieder auf die Elemente im Platzdesign, die Golf einst großartig machten und zu seinem starken Wachstum beitrugen. Ziel des Designs auf Sizilien ist es, diesen Trend weiter voranzutreiben und mit Spielbedingungen, die man als "fast and firm" bezeichnen würde, alle Kategorien von Golfer zu fordern.

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Es kommt selten vor, dass man einen Golfplatz ein zweites Mal designen kann und als Platzarchitekt sozusagen einen Mulligan bekommt. Gibt es Dinge, die du am ursprünglichen Platz schon vor der Flut ändern wolltest und nun konntest?
Natürlich. Da es während der ursprünglichen Bauphase einiges Gezänk zwischen Resort auf der einen und lokalen Autoritäten auf der anderen Seite gab, kam es zu einer längeren Pause, in der das Design eigentlich fertig war, wir aber noch kein Gras einsäen konnten und warten mussten, bis die politischen Probleme geklärt waren. So kam es beispielsweise dazu, dass auf dem Par 5, was mittlerweile Loch 8 ist, ein großer See entstand, der nie in unserem Design vorgesehen war. Das war natürlich ärgerlich. Beim Redesign konnten wir den See nun nahtlos in die Spielbahn integrieren und er macht endlich auch Sinn. Die verwendeten Grassorten wären auch so ein Thema. Nun sind es die richtigen für diese Art von Golfplatz.

Wann warst du das erste Mal auf Sizilien? Wann begann das Projekt ursprünglich?
Das müsste 2003 oder 2004 gewesen sein. Sir Rocco hatte sich für sein geplantes Golf-Resort einige Grundstücke in Schottland angesehen, wollte am Ende aber doch lieber eine Anlage in wärmerem Wetter. Also fuhren wir nach Sizilien und haben uns dieses große Stück Land am Meer, auf dem es damals nichts als Orangenbäume gab, angesehen. Als wir einige Zeit später dann tatsächlich anfangen wollten, war es nicht einfach, das Projekt zu starten. Sizilien war keine Golf-Destination und sowohl die Rocco-Forte-Gruppe auf Hotelseite als auch wir auf der Golfplatzseite hatten mit erheblichem Widerstand von Seiten der lokalen Behörden zu kämpfen. Doch da nun, nachdem wir schon viele Jahre auf der Insel sind, das Verständnis für den Sport gewachsen ist und natürlich auch eine Menge Arbeitsplätze geschaffen wurden, ist alles ein wenig einfacher und der zweite Platzbau ging trotz Covid-19 einfacher über die Bühne als der erste.

 
INFOBOX

INFOBOX

NAME
KYLE PHILLIPS

ALTER
63 JAHRE

GEBURTSORT
ATLANTA, GEORGIA

LIEBLINGSTEAM
KANSAS CITY CHIEFS

PLATZDESIGNS (AUSZUG)
KINGSBARNS GOLF LINKS (SCHOTTLAND)
THE GROVE (ENGLAND)
VERDURA (EAST + WEST COURSE) (ITALIEN)
YAS LINKS (ABU DHABI)
PGA NATIONAL (SCHWEDEN)

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