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Kronprinz Viktor

Viktor Hovland

Von Jan Langenbein, Fotos: J. Lindeberg

Erst mit elf Jahren begann Viktor Hovland, ernsthaft Golf zu spielen. Zwölf Jahre später ist er nicht nur Sieger auf der PGA Tour und unter den Top 25 der Weltrangliste, sondern nicht weniger als die Zukunftshoffnung des europäischen Ryder-Cup-Teams.

So überzeugend und berauschend der Sieg von Team Europa 2018 in Paris auch gewesen sein mag, das Durchschnittsalter der zwölf von Thomas Bjørn versammelten Spieler lag bei 33,75 Jahren. Das mag bestes Golfprofialter sein, Tatsache ist jedoch, dass außer Jon Rahm - dem damals wohl ältesten 23-Jährigen der Welt - kein junger Hüpfer in den Reihen Europas stand, der für kommende Dekaden ein zentraler und verlässlicher Leistungsträger des Teams sein könnte. Spieler wie Ian Poulter, Justin Rose oder Paul Casey, die seit mehr als einem Dutzend Jahren die Rolle als Rückgrat der Mannschaft übernahmen, waren in Paris allesamt jenseits der 40 und selbst die Personifikation der europäischen Ryder-Cup-Triumphe Sergio García hat mittlerweile eine Vier vor dem Alter stehen.

Wie also könnte die Zukunft für Team Europa heißen? Eine Antwort auf diese Frage lag bereits während der Matches in Frankreich auf der Hand: Viktor Hovland. Der war zu jenem Zeitpunkt noch Amateur und packte für die Reisen zu Auswärtsspielen der Oklahoma State University neben Golfschuhen und Schlägern wahrscheinlich auch Clearasil ein. Sechs Wochen vor dem Kantersieg in Paris hatte der Norweger mit der US Amateur Championship allerdings nicht nur eines der wichtigsten Amateurturniere der Welt gewonnen, er hatte seinen Gegnern dabei auch mindestens so dominant in die Hinterteile getreten, wie Ian Poulter dies zu seinen besten Zeiten vermochte. Wer den Namen Viktor Hovland zuvor noch nie gehört hatte und im Sommer 2018 aus Verlangen nach unsagbar schönen Golf-Porn-Aufnahmen des Pebble Beach Golf Links die US Amateur am Fernseher verfolgte, musste zwangsläufig den Eindruck gewinnen, dass dieser 20-jährige Norweger mindestens der nächste Rory McIlroy sein könnte. Hovland spielte in Kalifornien in seiner eigenen Liga, ließ keinem Gegner im Match Play auch nur den Hauch einer Chance und brach auf dem Weg zum Sieg ganz nebenbei auch zahlreiche Rekorde des seit 1895 ausgetragenen Prestige-Events. Doch dazu später.

Kronprinz Viktor:

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Plötzlich fing ich an, für meine Verhältnisse richtig hohe Bälle zu schlagen. Bis dahin konnte ich ums Verrecken kein Holz 3 vom Boden weg spielen. Es war wirklich hässlich anzuschauen.
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Geboren im September 1997 in der norwegischen Hauptstadt Oslo interessierte sich Viktor während der Grundschulzeit hauptsächlich für Taekwondo sowie Fußball. Sein Vater hatte während einiger beruflicher Jahre in den USA zwar mit dem Golfspielen begonnen und bei seiner Rückkehr nach Norwegen auch einen Satz Golfschläger im Gepäck, wirkliches Interesse an dem recht exotischen Sportgerät zeigte der damals drei Jahre alte Sprössling jedoch nicht. Das änderte sich in der siebten Klasse: "Bis zu jenem Zeitpunkt spielte ich nur gelegentlich Golf, doch dann sagte ich meinem Vater, dass ich nun auch gerne während des Winters Golf trainieren möchte. Das ist einfacher gesagt als getan, denn wegen des harten Winters in Norwegen muss man mindestes vier oder fünf Monate im Jahr auf Indoor-Training umsteigen." Die Familie fand im Miklagard Golfklub nördlich von Oslo eine Golfheimat, wo Viktor schnell Talent bewies und sich bis ins Nachwuchsteam des norwegischen Golfverbands spielte. Dort traf er auf Henrik Bjørnstad, dem bis dahin einzigen Norweger, der je auf der PGA Tour gespielt hatte und mittlerweile als Nachwuchskoordinator arbeitete. Es war die erste Berührung mit der weit entfernten Welt des amerikanischen Profigolfzirkus und sie ließ Viktor nicht unbeeindruckt: "Ich kann mich noch erinnern, wie ich Henriks Namen einmal im Fernsehen auf einem Leaderboard zwischen Tiger Woods, Sergio García und K.J. Choi sah - und nun spielte ich mit ihm Golf. Das war wirklich cool."

Die Realität hieß aber erst einmal Nachwuchsgolf in Norwegen mit all den Unwägbarkeiten, die ein Golferleben so weit im Norden mit sich bringt. "Bei einem Turnier zu Beginn der Saison irgendwo in Südnorwegen begann es plötzlich während der Runde zu schneien. Wir haben einfach weitergespielt. Das war keine große Sache." Ein Sieg bei den norwegischen Amateurmeisterschaften 2014 ließ im Hause Hovland dann zum ersten Mal den Gedanken aufkommen, dass das Hobby des Juniors vielleicht auch mehr als nur Zeitvertreib sein könnte. Viktors Mutter hatte erst wenige Monate zuvor erfahren, dass an Colleges in Amerika Golfstipendien vergeben werden, und als 2015 der Schulabschluss geschafft war, stand eine Richtungsentscheidung an. "Nach der Highschool wechselten einige meiner Freunde aus dem Nationalteam sofort ins Profilager mit dem Plan, sich über die ECCO Tour und die Challenge Tour nach oben zu spielen. Ich hatte aber nicht das Gefühl, dafür schon gut genug zu sein, und war der Meinung, meine Komfortzone erst einmal verlassen zu müssen."

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Also flog Viktor nach Amerika, wo einige Universitäten bereits Interesse am Nachwuchstalent aus Norwegen angemeldet hatten. Nach Besuchen in Tennessee, der Texas Tech und der TCU schaute er auch an der Oklahoma State University vorbei, wo mit Kristoffer Ventura bereits ein anderer Norweger im Golfteam spielte, der zuvor sogar dieselbe Schule wie Viktor besucht hatte. Es war aber weniger das bekannte Gesicht des Landsmanns, das ihn im April 2016 überzeugte, sich in Oklahoma einzuschreiben, als vielmehr die Tatsache, dass die Oklahoma State Cowboys seit Dekaden eines der besten Golfteams der Vereinigten Staaten sind und unter anderem Tour-Pros wie Hunter Mahan, Alex Norén, Charles Howell III und natürlich Rickie Fowler hervorgebracht haben.

Seine im fernen Norwegen erzielten Erfolge waren in Amerika allerdings vollkommen wertlos und so musste Viktor in Oklahoma, was seine Reputation als Ausnahmetalent angeht, praktisch bei null beginnen. Wie schon zu Zeiten im norwegischen Nationalteam half es ihm dabei nicht, dass seine körperliche Statur alles andere als beeindruckend ausfällt. " Ich war nie der Größte im Team und hatte daher von Anfang an die Rolle des Underdogs inne. Zumindest habe ich das so empfunden."

 
Viktor Hovland

Viktor Hovland

Alter: 23 Jahre
Geburtsort: Oslo, Norwegen
Wohnort: Stillwater, Oklahoma
Profi seit: 2019
Lieblings-Musik: Metal Core

Erfolge:
2018 U.S. Amateur Champion
2019 Nr. 1 im World Golf Amateur Ranking, T12 U.S. Open (bester Amateur), T2 Albertsons Boise Open (Korn Ferry Tour)
2020 Puerto Rico Open (PGA Tour)

Als er sich nach seiner Rookie-Saison am College halbwegs in Amerika akklimatisiert hatte, brachte konsequentes Techniktraining während der Saison 2017 dann den Durchbruch. Bis dahin hatte er zwar bereits einige Runden unter Par bei größeren Turnieren ins Clubhaus gebracht und auch Top-20-Ergebnisse erzielt, zufrieden war Viktor aber bei Weitem nicht. "Ich habe einfach nicht gut gespielt. Bis dahin war ich immer ein Spieler, der den Ball ziemlich gerade schlägt, aber ich konnte einfach die Mitte der Schlagfläche nicht mehr treffen. Und wenn es mal klappte, dann waren meine Schläge sehr flach mit viel zu wenig Spin. So war ich nicht in der Lage, die Bälle auf harten und schnellen Grüns zum Halten zu bringen."

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