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Paul Ripke

Alle Wege führen zum Grün

Von Jan Langenbein, Fotos: Tino Dertz & Paul Ripke

Er kennt das Innere von Lewis Hamiltons Privatjet, roch den Siegerschweiß in Rio 2014 und schlägt sein Eisen 2 weiter als so mancher seinen Driver - sonst noch was?

Ein Händchen für Dramatik muss man Paul Ripke attestieren, nicht nur was die Auswahl des Restaurants am Vorabend unserer gemeinsamen Golfrunde im sagenhaft spektakulären Rams Hill Golf Club inmitten der kalifornischen Wüste angeht. Die Pizzeria in einer ausgedienten Tankstelle könnte ohne Weiteres als Location in "Breaking Bad" herhalten. Auch stellt sich auf seine Frage hin, ob es okay wäre, noch zwei Fahrradkumpels mitzubringen, die gerade aus Deutschland da wären, dieser Besuch als aufsehenerregender heraus, als wir zunächst angenommen hatten. Als wir die Speisekarte überfliegen, ist es schließlich Jan Ullrich, der uns gegenüber gerade grübelt, ob er Funghi oder scharfe Salami bestellen soll.

Berührungsängste mit großen Namen hatte der Autodidakt weder als Fotograf noch als Podcaster, schließlich begleitete er mit der Kamera 14 Weltmeistertitel in den verschiedensten Sportarten von der Formel 1 bis zur Fußballnationalmannschaft, dokumentierte Touren der Toten Hosen, Marterias oder Jan Delays und quatschte zusammen mit Joko Winterscheidt "AWFNR" zu einem der populärsten Podcasts in deutscher Sprache. Seit er 2016 mit Frau und Kindern nach Kalifornien auswanderte, hat sich sein Pari Club House am Pacific Coast Highway in Newport Beach zu einer Art Abbey Road für Millennials und Berufsjugendliche entwickelt. Jeder Podcast-affine Kalifornien-Urlauber schießt vor dessen komplett verspiegelter Straßenfront ein Selfie und nimmt auf dem Rückweg zum Flughafen noch einen Hoodie aus Pauls Label Pari als Andenken mit nach Hause. Mit anderen Worten: Paul Ripke lebt in Südkalifornien ein Leben, das selbst dem "Most Interesting Man in the World" aus der Dos-Equis-Werbung Anerkennung abringen würde, und wenn Paul dem Pizza kauenden Jan Ullrich erklärt, warum es sich so genial anfühlt, einen kleinen weißen Ball 250 Meter weit durch die Luft zu dreschen, gönnt man dem Multitalent jedes Gramm seines immensen Selfmade-Erfolgs von ganzem Herzen. Neben der enormen Arbeit, die eine solche Karriere verschlingt, schaffte Paul es tatsächlich bis auf ein Handicap von 4.

"Davon bin ich momentan weit entfernt", baut er bereits für den nächsten Morgen vor, als die Kellnerin anfängt, die Stühle hochzustellen, "was aber nicht bedeutet, dass wir morgen nicht alle von den Backtees spielen. Mein Eisen 2 funktioniert zurzeit vorzüglich." In diesem Moment war uns noch nicht klar, dass er uns am kommenden Morgen mit ebendiesem Eisen 2 kurz lassen würde.

Paul Ripke: Rams Hill Golf Club, Borrego Springs, CA: 18 Löcher, Par 72, 6.613 MeterPaul Ripke: Rams Hill Golf Club, Borrego Springs, CA: 18 Löcher, Par 72, 6.613 Meter
Rams Hill Golf Club, Borrego Springs, CA: 18 Löcher, Par 72, 6.613 Meter

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ICH WAR MAL FOTOGRAF UND ICH WÜRDE SAGEN, DASS ICH HEUTE IRGENDWAS ZWISCHEN INFLUENCER UND VERONA FELDBUSCH DES 21. JAHRHUNDERTS BIN.
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Wann, wo und weshalb hast du das erste Mal zum Golfschläger gegriffen?
Als Jugendlicher habe ich Feldhockey gespielt, was den Weg zum Golf nicht mehr allzu weit machte. Mit 16 oder 17 Jahren habe ich gemeinsam mit einem Kumpel zum ersten Mal Golfschläger in die Hand genommen und den Sport sehr schnell lieben gelernt. Als Hockeyspieler musste ich beim Golf einfach nur gefühlt langsamer schwingen, als ich es eigentlich konnte. Im Golfclub Wiesloch habe ich meine Platzreife gemacht und dort ein paar Jahre sehr häufig gespielt, was wirklich cool war. Mit 21 bin ich nach Hamburg gezogen und habe dort neben dem Studium im GC Hamburg-Holm viel Golf gespielt. Das war großartig, denn es gab dort einen coolen Pro, eine Menge junger Leute und in der Mannschaft wurde auch mal gekifft. Ich war damals Ersatzspieler in der Mannschaft und kam bei einem Ligaspieltag zum Einsatz, was enorm viel Spaß gemacht hat.

Mitte der 90er war es nicht normal, als Teenager mit Golf in Kontakt zu kommen. Hattest du familiäre Verbindungen zu einem Golfer oder wie kam das?
Nein, das war ein Freund, der damals Golf in Heidelberg-Lobenfeld spielte und mich einfach mitgenommen hat. Ich habe damals nicht nur Hockey, sondern auch Tennis gespielt und mich deshalb nicht komplett dämlich angestellt. Ich glaube auch, dass mein Interesse an der Fotografie dazu beigetragen hat, dass mir Golf sehr schnell gefallen hat, denn dort kann man die Landschaft genießen und bekommt auf jeder Spielbahn neue Ausblicke und Bilder geboten.

Hast du seither immer gespielt oder gab es längere Golfpausen?
Ich habe mal mehr, mal weniger Golf gespielt. Ich muss auch sagen, dass es jedes Mal ein riesiger Nervkram ist, wenn ich zu Hause in Deutschland bin und dort einfach eine Runde Golf spielen möchte. Man muss ewig rumtelefonieren, bis man jemanden findet, der einem mitnehmen kann, wenn man kein deutsches Handicap besitzt. Was soll das? Warum kann ich nicht einfach mein Greenfee bezahlen und auf den Platz gehen? Ich kann schließlich Golf spielen. Ganz davon abgesehen, dass ich in Deutschland offiziell gar nicht Golf spielen darf, weshalb ich vergangenen Sommer viermal illegal auf den Platz gegangen bin. Ich weiß nicht, ob ich das hier sagen sollte, aber sollen sie mich doch fangen im Golfclub Viernheim! [lacht] In Amerika habe ich vor einigen Jahre wieder exzessiv mit Golfen begonnen, da Golf hier viel jünger, cooler, offener und freundlicher ist. Das fängt schon mit der Spielweise an. Ich könnte mich nicht erinnern, in den letzten 20 Jahren auch nur einmal 18 Löcher Zählspiel gespielt zu haben. Hier wird immer gezockt und der Spaß steht im Vordergrund. Das habe ich in letzter Zeit sehr lieben gelernt und spiele deshalb jeden Mittwoch mit meinem Vermieter. Der ist 75 Jahre alt ist, trifft sich wöchentlich mit seinen Buddys in San Juan Capistrano und ist so frei, mich mitzunehmen.

Paul Ripke: Kaltstart: morgens halb acht in der Wüste
Kaltstart: morgens halb acht in der Wüste
Ich kann mir die Antwort denken, trotzdem: Was ist dein bester Schläger im Bag?
[grinst] Ich behaupte, mein Driving Iron, von dem ich bis heute Morgen noch als Eisen 2 gesprochen habe, ist eine echte Waffe. Das kann ich über 200 Meter carry schlagen, was eigentlich für fast jede Situation ausreicht.

Hast du in deiner Familie - deine älteste Tochter ist 16 Jahre alt - jemanden mit dem Golfvirus angesteckt?
Überhaupt nicht. Meine Frau und ich sind seit 17 Jahren miteinander verheiratet - unter anderem weil wir seit 16 Jahren nicht mehr gemeinsam Golf spielen... Ich habe sie damals dazu gebracht, am Fleesensee die Platzreife zu machen, aber die gemeinsamen Runden waren eine harte Belastungsprobe für die Beziehung. [lacht] Damals war ich golfbesessen und hatte für einen Sommer eine Mitgliedschaft am Fleesensee. Ich stand dort wochenlang mit dem Campingvan auf dem Parkplatz und habe ausschließlich Golf gespielt. Ich fand das natürlich mega; dass meine Frau davon nur bedingt begeistert war, kann man sich denken. Insofern ist es völlig okay, dass ich mittlerweile der einzige Golfer in der Familie bin.

Was ist dein Beruf?
Mein Beruf ist, äh… [lacht] Ich war mal Fotograf und ich würde sagen, dass ich heute irgendwas zwischen Influencer und Verona Feldbusch des 21. Jahrhunderts bin. Ich vermarkte meine Reichweite, ich habe einen Podcast, einen Newsletter und einen Instagram-Account. Inhaltlich erzähle ich Geschichten entweder im Podcast oder auch in Fotos oder Videos. Ich wohne in Amerika und vermarkte eigentlich die Veränderungen in meinem Leben, indem ich erzähle, was ich gerade erlebe. Ich habe sehr viel Glück gehabt im Leben, auch als Fotograf. Ich habe früh viele Leute fotografiert, die extrem erfolgreich wurden, was nichts mit mir oder meinen Fotos zu tun hatte. Aber ich stand neben Musikern wie den Toten Hosen oder Marteria, als sich wichtige Meilensteine in ihren Karrieren ereignet haben. Dasselbe ist mir dann auch mit Sportlern passiert wie zum Beispiel beim Aufstieg des FC St. Pauli, mit der Nationalmannschaft in Rio oder auch mit Formel-1-Fahrern wie Nico Rosberg und Lewis Hamilton. Genauso viel Glück habe ich jetzt gerade, da Menschen zurzeit lieber echte Geschichten hören als eine inszenierte Wirklichkeit konsumieren. Es glaubt heute niemand mehr, dass Fußballnationalspieler Chio Chips essen. Von diesem Problem, nämlich dass die Leute wissen möchten, ob jemand ein Produkt auch authentisch benutzt, profitiere ich, weil ich mich genau dafür bezahlen lasse, etwas zu benutzen, das mich auch wirklich interessiert.

Paul Ripke: Nichts dem Zufall überlassen: wenn das Shirt den Teemarker matcht
Nichts dem Zufall überlassen: wenn das Shirt den Teemarker matcht
Du hast durch deinen Beruf Kontakt mit extrem starken Charakteren. Beispielsweise hast du im Podcast davon erzählt, wie du mit Toto Wolff über deine Arbeit beim von ihm geleiteten Formel-1-Team verhandelt hast.
[lacht] Ja, das war lustig und herausfordernd zugleich.

Gibt es zwei, drei Leute von diesem Schlag, die dich in deinem beruflichen Werdegang weitergebracht haben und von denen du gelernt hast?
Ja, und die sind sich auch alle relativ ähnlich, nämlich archetypische Manager. Bernd von Geldern, der Geschäftsführer des FC St. Pauli, ist einer davon. In der Zeit, in der ich für den DFB arbeitete, war auch Oliver Bierhoff unglaublich beeindruckend, denn er hat Dinge neu gedacht. Gleichzeitig hatte er ein gutes Gespür dafür, was ich beitragen könnte, um die Geschichte der Nationalmannschaft anders zu erzählen, als es bisher der Fall gewesen war - also echter zu erzählen. Toto Wolff gehört zu 100 Prozent dazu. Es war extrem beeindruckend zu sehen, wie schnell er Entscheidungen trifft, zu diesen dann auch steht und Verantwortung abgibt, diese am Ende aber auch wieder einfordert. Meine Zeit beim Mercedes-AMG-Formel-1- Team war sicher die bisher anspruchsvollste in meinem Leben. In diesem Umfeld muss man ständig abliefern und ich habe nicht nur viel gelernt, ich habe vor allem auch gelernt, was ich nicht kann.

Wie sah ein typisches Arbeitswochenende bei der Formel 1 für dich aus?
Nach meinen letzten Verhandlungen mit Toto Wolff musste ich donnerstags nicht mehr vor Ort sein. Donnerstags ist Pressetag in der Formel 1, freitags das freie Training, samstags Qualifying und sonntags dann das Rennen. Der Pressetag war für mich immer sehr langweilig, die Fahrer gaben Interviews und ich hatte nichts zu tun. Auch der Freitag war schweinelangweilig, denn jede Box sieht, egal wo auf der Welt, immer gleich aus. Alle tragen Helme und testen irgendwelche technischen Sachen. Das sieht immer gleich aus. Einmal habe ich sogar, weil ich sehen wollte, ob ich damit durchkomme, Bilder vom vergangenen Wochenende hochgeladen und keiner hat's gemerkt. Ich habe ja nie auf der Strecke, sondern immer nur die Menschen in der Box fotografiert. Die Geschichte, die ich zu erzählen versuche, setzt voraus, dass ich selbst davon begeistert bin von dem, was ich erlebe. Ich fand die Menschen und das Tempo in der Formel 1 faszinierend und nicht so sehr die Autos, die im Kreis fahren. Ich bin kein wirklicher Autofreak und das war dann der Grund, warum ich einen bestehenden Vertrag dort gekündigt habe. Ich war schlicht nicht mehr stoked von der Sache. Das muss ich aber sein, denn ich bin kein besonders talentierter Künstler oder Fotograf. Wenn ich mich für das, was um mich herum passiert, begeistere, gehe ich automatisch näher ran, was Fotos dann oft besser macht - auch auf dem Golfplatz. Zusammen mit Sergio García, Macklemore und dem amerikanischen Bachelor habe ich beim Pro-Am der BMW Championship gespielt und die ganze Zeit mit dem iPhone fotografiert. Sergio García war sehr nett, allerdings auch sichtbar genervt. Es sind an diesem Tag aber Fotos entstanden, die am Ende alle abgefeiert haben, weil es die Perspektive aus dem Inneren eines Vierer-Flights war und nicht nur eine Draufsicht von außerhalb. Die Bilder haben viele kleine Geschichten erzählt, in denen man zum Beispiel sehen konnte, dass Sergio seinen Ball mit einem Masters-Ballmarker markiert. Solche Bilder zu machen wird im Golf kaum zugelassen. Ich bin aber nah, manchmal auch zu nah rangegangen, was zwei- oder dreimal dazu geführt hat, dass Sergio seinen Ball versemmelt hat, weil ich mein iPhone vor seine Füße geworfen habe. Er meinte: "Bist du bescheuert? Das ist meine Proberunde hier..." Aber die Bilder fand er trotzdem geil.

 

Steckbrief

NAME
PAUL RIPKE

ALTER
42 JAHRE

WOHNORT
NEWPORT BEACH, CA

HCP
7

LIEBLINGSTEAM
1. FC KAISERSLAUTERN

WERKE


@PAULRIPKE
"ONE NIGHT IN RIO: UNSERE NACHT VOM 4. STERN" (BILDBAND 2014)

DIE TOTEN HOSEN:
"BITTE LÄCHELN - VON SAN TELMO BIS LEIPZIG" (BILDBAND 2015)

"ALLE WEGE FÜHREN NACH RUHM"
PODCAST SEIT 2017

PARI
MODELABEL SEIT 2019

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