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Schweiz

Auf die Länge kommt es an

Von Jan Langenbein, Fotos: Jan Langenbein (3), Fabian Gattlen (4), Christopf Sonderegger (1), Roland Gerth (1)

Hoch oben in den Schweizer Bergen braucht es offenbar weder ein Fitnessstudio noch einen kalorienzählenden Ernährungsplan, um ebenfalls zur Mensch-Maschine zu werden. Genau das Richtige nach sechs Monaten auf der heimischen Couch!

Es ist mittlerweile halb vier Uhr morgens, und obwohl ich mich schon vor mehr als fünf Stunden ins Bett gelegt habe, bin ich längst wieder wach und so kurzatmig, als wäre ich gerade acht Stockwerke nach oben gesprintet - Altbau, versteht sich. Das Bett für diese Nacht steht in der "Tibet Hütte", hoch oben am Scheitelpunkt des Stilfser Jochs, 2.800 Meter über dem Meeresspiegel, was das nächtliche Schnaufen erklären sollte. Wir sind hierher hochgekommen, um die erste Reise nach mehr als sechs Monaten Einsiedlertum in den eigenen vier Wänden feierlich damit zu beginnen, dass der morgendliche Blick aus dem Fenster den größtmöglichen Kontrast zur eigenen Dreizimmerwohnung in Hamburg bietet. Die zweithöchste Passstraße der Alpen erfüllt diese Anforderung par excellence.

Lediglich das grüne Gewissen hält uns nach dem äußerst frühen Frühstück davon ab, einen ausrangierten Golfball vom Parkplatz der Hütte ins viele Hundert Meter darunter liegende Tal zu feuern. Wie weit ein solcher Drive wohl fliegen würde? Der spektakuläre Blick weckt Erinnerungen an das Extreme 19th Hole des Legend Golf & Safari Resort in Südafrika, dessen Teebox auf einer Bergspitze nur mit dem Helikopter zu erreichen ist. Dieses unglaubliche Par 3 misst zwar knapp 400 Meter Länge, ist dank der 430 Meter Höhenunterschied jedoch auch für Hobby-Golfer mit einem guten Drive zu schaffen. Im Moment befinden wir uns allerdings derartig hoch im Gebirge, dass dieser Wert leicht zu knacken sein müsste.

Schweiz: Warten auf den Putt: Die Fahne kann rausSchweiz: Warten auf den Putt: Die Fahne kann raus
Warten auf den Putt: Die Fahne kann raus

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In Klosters kam kein multimillionenschwerer Investor eingeflogen, um eine weitere Nadel in seine persönliche Golfweltkarte zu stecken. Dieser Golfplatz ist die Initiative einiger Einheimischer.
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Wenig später gleitet unser BMW X5 rein elektrisch über die grüne Grenze zur Schweiz und generiert dabei auf den Serpentinen ins Tal Strom für mehr als zehn Kilometer Reichweite, wie uns der Bordcomputer wissen lässt. Doch mir will die Erkenntnis, die mir Max Kieffer vor einigen Jahren nach einer Driving-Range-Session beim Omega European Masters in Crans-Montana verriet, nicht aus dem Kopf gehen: "Die Bälle hier oben fliegen im Schnitt etwa zehn Prozent weiter als zu Hause. Hier oben wirst selbst du zum Longhitter."

Der Golf-Club Cranssur-Sierre liegt auf etwa 1.500 Metern Höhe, unser heutiges Ziel St. Moritz dagegen auf über 1.800. Wenn die Höhenlage von Crans-Montana also selbst mich zum Longhitter mutieren lässt, wozu ist dann erst der Nobelskiort im Engadin fähig?

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Nach zwei Tagen des süßen Lebens im Grand Hotel Kronenhof einen Steinwurf von St. Moritz entfernt wird entweder unserem beharrlichen Betteln nachgegeben oder die hervorragenden Beziehungen unserer Gastgeber tragen Früchte. Egal, jedenfalls erreicht uns während der Seilbahnfahrt auf den Diavolezza-Gletscher die Nachricht, dass wir am folgenden Morgen beim President's Mixed Foursome im Engadine Golf Club auf der Startliste stehen. Mit einer Geschichte, die bis in das Gründungsjahr des Clubs 1893 zurückreicht, ist dieses Event nichts Geringeres als das älteste Golfturnier des Landes.

Schweiz: Spaghetti am Berghang: Wenn sie kleben bleiben, sind sie gar
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Wie der Name verrät, braucht es für die Teilnahme jedoch eine Mitspielerin, die wir so kurzfristig nicht aus dem Hut zaubern können, doch glücklicherweise erbarmen sich zwei Veteraninnen des Clubs, uns unter ihre Fittiche zu nehmen. Eine Entscheidung, die meine Spielpartnerin auf Loch 4, nachdem sie ihren Abschlag routiniert 135 Meter von der Fahne entfernt auf dem Fairway abgelegt hat, schnell bereuen soll. Auf meinem Heimatplatz würde diese Entfernung ein Eisen 9 erfordern, doch die Erfahrungen der letzten Tage lassen mich guten Gewissens zum Pitching Wedge greifen. Ein grober taktischer Fehler, wie der Ball zeigt, der wenig später in hohem Bogen über das Grün fliegt und auf Nimmerwiedersehen im dichten Rough verschwindet. Bubba Watson hätte nach einem solchen Fauxpas wohl seinen Caddie gefeuert, meine Mitspielerin dagegen droppt gelassen einen Ball und kommentiert mein ungestümes Spiel in beruhigendem Schwyzerdütsch: "Immer mit der Ruhe. Im Gegensatz zu deiner Heimat im Flachland wollen die Bälle hier gestreichelt werden."

Schweiz: Personal Yoga Instructor: Bartmode absolut hipSchweiz: Personal Yoga Instructor: Bartmode absolut hip
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Selbstredend kann die Gute mit einem Klotz in Form eines deutschen Golfschreiberlings am Bein keinen Blumentopf gewinnen und wir finden uns viel zu weit unten auf der Ergebnisliste wieder. Bevor diese jedoch verteilt wird, stimmen einige Mitglieder recht zögerlich, andere indes aus tiefer Inbrunst auf der sonnengetränkten Clubhausterrasse die Schweizer Nationalhymne an. "Keine Bange", klärt meine Mitspielerin auf, "heute ist Schweizer Nationalfeiertag, deshalb all die Flaggen und die Hymne." Völlig planlos, was Text und Melodie angeht, machen wir es wie Nationalspieler vor dem Match und bewegen stumm, aber heftig grinsend die Lippen. Man stelle sich vor, im Münchner Golfclub würde nach einem Ladies Day am 3. Oktober, bevor der Prosecco ausgeschenkt wird, zuerst einmal "Einigkeit und Recht und Freiheit" intoniert. Die Lokalpresse würde die Messer wetzen.

 
Wohnen

Wohnen

Wohnen Tibet Hütte Stilfser Joch
Die Vorzüge einer Unterkunft auf 2.800 Metern über dem Meer müssen wohl kaum erläutert werden. Nach einer Nacht in den modern und zweckmäßig eingerichteten Zimmern können bereits beim Frühstück die ersten Radfahrer, die der unglaublichen Ostrampe des Stelvio-Passes entgegenstrampeln, beobachtet werden und man kann Gott danken, dass man selbst mit dem Auto hier raufgefahren ist.
www.tibet-stelvio.com

Grand Hotel Kronenhof Pontresina
Das historische Fünfsternehotel am Fuße des Berninapasses bietet in seinen 112 Zimmern und Suiten unterschiedlichster Stile von gediegener Grand-Hotel-Atmosphäre bis hin zu modernem Komfort für jeden Geschmack die passenden vier Wände. Sollte der Sommer mal einen Tag Pause machen, bietet das 2.000 Quadratmeter große "Kronenhof Spa" genügend Entspannungsmöglichkeiten, bis sich die Regenwolken verzogen haben.
www.kronenhof.com

Morosani Schweizerhof Davos
Direkt an der Promenade von Davos gelegen bildet dieses Viersterne-Haus das Herz der Stadt und jede Sehenswürdigkeit ist in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar. Das Dekor der modernen Zimmer ist angenehm unaufgeregt und neben dem fantastischen Restaurant "Damoro" sind die riesigen Balkone, auf denen der abendliche Rotwein bei monumentaler Bergkulisse genossen werden kann, ein echtes Highlight.
www.morosani.ch

Golfplätze in der Region

Kulm Golf St. Moritz

Kulm Golf St. Moritz

9 Löcher, Par 27, 1.000 Meter

Adresse:
Via Maistra 44
CH-7500 St. Moritz
Tel. +41 (0)81.836.82.36
www.kulm.com

Greenfee:
ca. 55 Euro (18 Löcher),
Hotelgäste spielen kostenlos

Die älteste Golfanlage der Alpen ist zwar "nur" ein Neunloch-Pitch&Putt-Platz, aber was für einer! Ein ausgedünntes Bag vom Eisen 7 abwärts reicht für eine Runde mitten in St. Moritz vollkommen aus. Wie ein Chamäleon wechselt dieser Par-3-Platz mindestens viermal während einer Runde den Charakter und steckt landschaftlich nahezu jeden Tour-Platz in die Tasche. Wo sonst hätte man schon die Möglichkeit, sich in einem ehemaligen Olymipiastadion warm zu spielen und wenig später dann einen Abschlag über eine Bobbahn zu feuern?

Killerloch:
Loch 2 erfordert zwar nur ein Sand Wedge vom Tee, ein Shank könnte allerdings Fensterscheiben im legendären, von Gunter Sachs gegründeten "Dracula Club" zerstören - wenn das mal kein Druck ist!

Golf Engadin Zuoz-Madulain

Golf Engadin Zuoz-Madulain

18 Löcher, Par 72, 6.017 Meter

Adresse:
Sur En
7524 Zuoz
Tel. +41 (0)81.851.35.80
www.engadin-golf.ch

Greenfee:
ca. 93 Euro

Tiefe Schluchten, knackige Anstiege und sogar ein Inselgrün - die 18 Löcher des Golfplatzes in Zuoz packen so ziemlich alles, was eine Anlage spannend machen kann, in eine Runde. Dazu kommen ein jederzeit präsentes Bergpanorama, das Flachländlern den Atem raubt, und ein Flammkuchen in der Halfwayhütte, der auch etwas längere Stopps durchaus rechtfertigt.

Killerloch:
Auf Loch 7 (Par 5) wurde extra eine Schneise in den Wald geschlagen, um Longhittern eine Abkürzung zu bieten. Diese Ecke derart zu schneiden, dass nach erfolgreichem Abschlag ein Schuss aufs Grün und vielleicht sogar ein Eagle möglich sind, erfordert allerdings eine Mischung aus Wagemut und Kamikaze-Attitüde.

Golf Engadin Samedan

Golf Engadin Samedan

18 Löcher, Par 72, 6217 Meter

Adresse:
A l'En 14
7503 Samedan
Tel. +41 (0)81.851.0466
www.engadin-golf.ch

Greenfee:
ca. 93 Euro

Seit 1893 werden hier oben im Engadin bereits die Golfschläger geschwungen - kein Wunder, dass die Chronik des Clubs dicker ausfällt als das Telefonbuch von München. Obwohl auf 1.800 Metern in hochalpinem Gelände gelegen, muss der größte Höhenunterschied während einer Runde hier auf der Treppe zur Clubhausterrasse überwunden werden. Somit ist dieser altehrwürdige Golfplatz vom Grundschüler bis zum Scheintoten von wirklich jedem Golfer per pedes zu schaffen.

Killerloch:
Da hier oben in den Bergen nahezu jeder zum Longhitter mutiert, ist dieser Golfplatz eine recht zahme Wiese - solange kein Wind weht! Killerloch? Fehlanzeige. Höchstens die 10, ein 216 Meter langes Par 3 mit recht kleinem Grün macht regelmäßig Probleme.

Golf Engadin Samedan

Golf Club Davos

18 Löcher, Par 68, 5.401 Meter

Adresse:
Mattastrasse 25
7260 Davos Dorf
Tel. +41 (0)81.416.56.34
www.golf-davos.ch

Greenfee:
ca. 93 Euro (Mo.-Fr.),
ca. 103 Euro (Sa. & So.)

1966 entwarf Donald Harradine diese auf 1.560 Meter über Normalnull gelegenen 18 Löcher in einem wunderschönen Park mitten in Davos. Kein Wunder, dass diese Anlage an vielen Stellen an einen klassischen englischen Parkland-Platz erinnert - wäre da nicht der Blick auf die Schatzalp und die beiden Skigebiete Parsenn und Jakobshorn. Unterschätzen sollte die Par-68-Anlage aber besser niemand, zu schnell landen Abschläge auf den Löchern 6 und 8 im Bach.

Killerloch:
Direkt hinter dem zehnten Grün lauert eine tückische Ausgrenze, die gerne Bälle frisst, schließlich hat kaum ein Golfer auf diesem 391 Meter langen Par 4 mit einem 90°-Dogleg für den zweiten Schlag ein kurzes Eisen in der Hand.

Golf Club Klosters

Golf Club Klosters

9 Löcher, Par 31, 1.818 Meter

Adresse:
Selfrangastrasse 44
7250 Klosters-Serneus
Tel. +41 (0)81.422.11.33
www.golf-klosters.ch

Greenfee:
ca. 79 Euro (18 Loch Mo.-Fr.),
ca. 110 Euro (18 Loch Sa. & So.)

Im 2005 eröffneten Golf Club Klosters wird im Sommer Golf gespielt, wo im Winter ein Skilift die internationalen Gäste den steilen Hang von Selfranga hinaufschleppt. Wer hier auf die Runde geht, sei daher gewarnt: Flach sind höchstens die Witze des Mitspielers. Wem die äußerst sportlichen Auf- und Abstiege zwischen den Löchern 6 und 9 etwas zu fordernd sind, der nimmt sich besser ein Golfcart. Dem spektakulären Blick auf den Silvrettagletscher tut dies keinen Abbruch.

Killerloch:
Mit 289 Metern von den Back-tees ist Loch 2 für Cracks ein drivebares Par 4, weniger geübte Spieler sehen sich allerdings zu Beginn der Runde mit einem Abschlag konfrontiert, der mindestens 165 Meter über einen reißenden Bach fliegen muss, um das Fairway zu erreichen.

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