»Immer mit der Ruhe. Im Gegensatz zu deiner Heimat im Flachland wollen die Bälle hier gestreichelt werden.«
DAVOS VIEL KOSTET!?
Bestand das einzige "Wetterproblem" der vergangenen Tage in der gnadenlosen Höhensonne, wird während der kurzen Autofahrt nach Davos auf dem Flüelapass deutlich, dass der Sommer im Schweizer Hochgebirge auch ganz anders kann. Nach einem Wetterumbruch mit knapp 20 Grad Temperaturabfall schneit es hier oben auf 2.400 Metern tatsächlich im Juli.
Ein Schlechtwettertag ist in der höchstgelegenen Stadt Europas aber kein Beinbruch, schließlich ist genügend Infrastruktur vorhanden, um eine Platzsperre auszusitzen. Wir entscheiden uns, die Schatzalp zu besichtigen, jenes 1899 eröffnete Luxussanatorium für Tuberkulose-Patienten, das seinen Gast Thomas Mann zum Roman "Der Zauberberg" inspirierte. Dieses wie aus der Zeit gefallene Haus wurde 1954 zum Hotel umfunktioniert und empfängt auch heute noch Gäste, die Urlaub im Stil der 50er-Jahre ganz ohne Fernseher auf dem Zimmer modernen Designhotels vorziehen.
Seit Juli 2019 ist eine Runde im Golf Club Davos für jeden Gast eine eindrückliche Lektion darin, welch riesige Herausforderungen die Natur hier oben für Golfplatzbetreiber in petto hat. Im vergangenen Sommer begrub nach starkem Regen ein massiver Murenabgang das gesamte 16. Grün unter sich und somit spielt sich das einst lange Bergauf-Par-4 dank eines neu gebauten Grüns nur noch entspannte 280 Meter lang - inklusive Geröllfeld hinter der Flagge. "Unsere Saison dauert normalerweise von Anfang Mai bis Oktober", erklärt Clubmanagerin Eva Stöcklin und betont: "Unser Greenkeeper Simon Gorwill stammt aus England und sieht sich hier oben natürlich mit vollkommen anderen klimatischen Bedingungen konfrontiert. Er leistet hervorragende Arbeit." Scheint wie heute die Sommersonne auf die teppichähnlichen Fairways, so möchte man kaum glauben, dass in wenigen Monaten an gleicher Stelle Langläufer durch die Loipen rutschen werden.
Vor dieser Reise schenkten sich die Destinationen St. Moritz und Davos unserer Meinung nach in ihrer Ausrichtung und im Publikum wenig. Eine Einschätzung, die uns umgehend als ahnungslose Schweiz-Laien brandmarkt, denn nach zwei Tagen am Schauplatz des alljährlichen Weltwirtschaftsforums wird klar, dass sich diese beiden mondänen Wintersportorte durchaus unterscheiden. Während sich St. Moritz selbstbewusst "Top of the World" als PR-Slogan verlieh und dieses Statement Winter für Winter mit jeder Menge Jet-set untermauert, haben sich Davos und Klosters das Motto "Sports Unlimited" auf die Fahnen geschrieben, sportlicheres Publikum inklusive.
Passend dazu erwartet uns mit dem Golf Club Klosters die sportlich anspruchsvollste und gleichzeitig jüngste Wiese am Ende unserer Stippvisite in der Schweiz. Zu Beginn des neuen Jahrtausends setzten es sich fünf golfverrückte Einheimische zum Ziel, auch in ihrem beschaulichen Heimatdorf ihrem Lieblingshobby nachgehen zu können. Nachdem ein Förderverein gegründet war, mögliche Standorte diskutiert wurden und irgendwann tatsächlich die Bagger rollten, eröffneten die neun Löcher 2005 für den Spielbetrieb. In Klosters kam also kein multimillionenschwerer Investor eingeflogen, um eine weitere Nadel in seine persönliche Golfweltkarte zu stecken. Dieser Golfplatz ist die Initiative einiger Einheimischer, was den heutigen Charme der Anlage mit einer urigen Teehütte mitten auf dem Platz ausmacht.
Geschafft von den Höhenmetern, die selbst während einer Neunloch-Runde in Klosters fällig werden, cruisen wir zurück in Richtung Heimat. Mit jeden 100 Höhenmetern, die wir uns dem Flachland nähern, steigt die Temperaturanzeige auf dem Armaturenbrett. Beim letzten Kaffeestopp auf Schweizer Seite suche ich in der Arccos-App nach zwei vergleichbaren Schlägen einer Runde in Budersand auf Sylt und im Engadin. Als ich tatsächlich fündig werde, fallen mir beinahe die Augen aus dem Kopf. Bryson DeChambeau musste einen Lockdown lang Eisen pumpen und Protein-Shakes in sich hineinschütten, um derartige Längengewinne zu erzielen. Ich dagegen habe sechs Monate lang faul auf der Couch gelegen. Das Ergebnis ist offensichtlich dasselbe. Man muss nur in die Schweiz fahren.
Golfplätze in der Region
Kulm Golf St. Moritz
9 Löcher, Par 27, 1.000 MeterAdresse:
Via Maistra 44
CH-7500 St. Moritz
Tel. +41 (0)81.836.82.36
www.kulm.com
Greenfee:
ca. 55 Euro (18 Löcher),
Hotelgäste spielen kostenlos
Die älteste Golfanlage der Alpen ist zwar "nur" ein Neunloch-Pitch&Putt-Platz, aber was für einer! Ein ausgedünntes Bag vom Eisen 7 abwärts reicht für eine Runde mitten in St. Moritz vollkommen aus. Wie ein Chamäleon wechselt dieser Par-3-Platz mindestens viermal während einer Runde den Charakter und steckt landschaftlich nahezu jeden Tour-Platz in die Tasche. Wo sonst hätte man schon die Möglichkeit, sich in einem ehemaligen Olymipiastadion warm zu spielen und wenig später dann einen Abschlag über eine Bobbahn zu feuern?
Killerloch:
Loch 2 erfordert zwar nur ein Sand Wedge vom Tee, ein Shank könnte allerdings Fensterscheiben im legendären, von Gunter Sachs gegründeten "Dracula Club" zerstören - wenn das mal kein Druck ist!
Golf Engadin Zuoz-Madulain
18 Löcher, Par 72, 6.017 MeterAdresse:
Sur En
7524 Zuoz
Tel. +41 (0)81.851.35.80
www.engadin-golf.ch
Greenfee:
ca. 93 Euro
Tiefe Schluchten, knackige Anstiege und sogar ein Inselgrün - die 18 Löcher des Golfplatzes in Zuoz packen so ziemlich alles, was eine Anlage spannend machen kann, in eine Runde. Dazu kommen ein jederzeit präsentes Bergpanorama, das Flachländlern den Atem raubt, und ein Flammkuchen in der Halfwayhütte, der auch etwas längere Stopps durchaus rechtfertigt.
Killerloch:
Auf Loch 7 (Par 5) wurde extra eine Schneise in den Wald geschlagen, um Longhittern eine Abkürzung zu bieten. Diese Ecke derart zu schneiden, dass nach erfolgreichem Abschlag ein Schuss aufs Grün und vielleicht sogar ein Eagle möglich sind, erfordert allerdings eine Mischung aus Wagemut und Kamikaze-Attitüde.
Golf Engadin Samedan
18 Löcher, Par 72, 6217 MeterAdresse:
A l'En 14
7503 Samedan
Tel. +41 (0)81.851.0466
www.engadin-golf.ch
Greenfee:
ca. 93 Euro
Seit 1893 werden hier oben im Engadin bereits die Golfschläger geschwungen - kein Wunder, dass die Chronik des Clubs dicker ausfällt als das Telefonbuch von München. Obwohl auf 1.800 Metern in hochalpinem Gelände gelegen, muss der größte Höhenunterschied während einer Runde hier auf der Treppe zur Clubhausterrasse überwunden werden. Somit ist dieser altehrwürdige Golfplatz vom Grundschüler bis zum Scheintoten von wirklich jedem Golfer per pedes zu schaffen.
Killerloch:
Da hier oben in den Bergen nahezu jeder zum Longhitter mutiert, ist dieser Golfplatz eine recht zahme Wiese - solange kein Wind weht! Killerloch? Fehlanzeige. Höchstens die 10, ein 216 Meter langes Par 3 mit recht kleinem Grün macht regelmäßig Probleme.
Golf Club Davos
18 Löcher, Par 68, 5.401 MeterAdresse:
Mattastrasse 25
7260 Davos Dorf
Tel. +41 (0)81.416.56.34
www.golf-davos.ch
Greenfee:
ca. 93 Euro (Mo.-Fr.),
ca. 103 Euro (Sa. & So.)
1966 entwarf Donald Harradine diese auf 1.560 Meter über Normalnull gelegenen 18 Löcher in einem wunderschönen Park mitten in Davos. Kein Wunder, dass diese Anlage an vielen Stellen an einen klassischen englischen Parkland-Platz erinnert - wäre da nicht der Blick auf die Schatzalp und die beiden Skigebiete Parsenn und Jakobshorn. Unterschätzen sollte die Par-68-Anlage aber besser niemand, zu schnell landen Abschläge auf den Löchern 6 und 8 im Bach.
Killerloch:
Direkt hinter dem zehnten Grün lauert eine tückische Ausgrenze, die gerne Bälle frisst, schließlich hat kaum ein Golfer auf diesem 391 Meter langen Par 4 mit einem 90°-Dogleg für den zweiten Schlag ein kurzes Eisen in der Hand.
Golf Club Klosters
9 Löcher, Par 31, 1.818 MeterAdresse:
Selfrangastrasse 44
7250 Klosters-Serneus
Tel. +41 (0)81.422.11.33
www.golf-klosters.ch
Greenfee:
ca. 79 Euro (18 Loch Mo.-Fr.),
ca. 110 Euro (18 Loch Sa. & So.)
Im 2005 eröffneten Golf Club Klosters wird im Sommer Golf gespielt, wo im Winter ein Skilift die internationalen Gäste den steilen Hang von Selfranga hinaufschleppt. Wer hier auf die Runde geht, sei daher gewarnt: Flach sind höchstens die Witze des Mitspielers. Wem die äußerst sportlichen Auf- und Abstiege zwischen den Löchern 6 und 9 etwas zu fordernd sind, der nimmt sich besser ein Golfcart. Dem spektakulären Blick auf den Silvrettagletscher tut dies keinen Abbruch.
Killerloch:
Mit 289 Metern von den Back-tees ist Loch 2 für Cracks ein drivebares Par 4, weniger geübte Spieler sehen sich allerdings zu Beginn der Runde mit einem Abschlag konfrontiert, der mindestens 165 Meter über einen reißenden Bach fliegen muss, um das Fairway zu erreichen.